Ein Beitrag zur BUCHSTABENSUPPE:  
 
Bär Carlos Schlemmerreise durchs Schlaraffenland von A-Z!
 
     
 
von Ingrid Holzmann-Ottohall
 
 
Konzeption & Text Tübingen
 
     
 
Als Bär Carlo Daheim Einschlummerte, Erlebte Er Etwas Einzigartiges: Ein Fabelhaftes Festessen! Frische, Fruchtige Feinschmeckergerichte Für Große Genießerbären! »Gütiger Gott«, Grummelte-er Glücklich. Geschwind Griff GrizzlyCarlo Gierig Glänzendblaue Heidelbeeren In Immersüßem Ingwerhonig, Jauchzte-über Junge Johannisbeeren, Kaute Krachend Leckere Lachse, Lutschte Matschigweiche Marshmallows Mit Nugatschokolade. Naschte Ohne Pause Quietschgelben Quittenquark, Riss Reife Rieslingtrauben, Schlürfte Spargelsuppe, Schlotzte Schokoeis, Schlabberte Schweinebraten, Speck, Schnabulierte Stachelbeeren… Tapste Tanzend Tischwärts, Träumend »Tabula-rasa-machend«! Und Voll Vergnügter Vorfreude Wartet-er Wachend, Wann Weitere Wohlschmeckende Wunderdinge Wirklichkeit Werden - Wie X-Mas-Kuchen, Yoghurt, Yamswurzeln, Zuckerbrot, Zwetschgenkuchen, Zwiebelrostbraten…
 
     
 

© 1998 by Ingrid Holzmann-Ottohall. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe verboten.


Wochenend´ und Sonnenschein...

Endlich Wochenende – was für ein Glück! Keine Kundenanrufe! Keine lautstarken Vertreter, die mir eine „dringend notwendige Sterbeversicherung“ oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung andrehen wollen. Kein Stress also, keine Hektik, nur Ruhe, Ruhe, selige Ruhe...

Selige Ruhe??? Alarmiert wache ich auf und starre auf den Wecker: 8 Uhr früh! Dann fällt mir ein: Es ist Samstag – du darfst AUSSCHLAFEN! Beglückt falle ich in die Kissen zurück und frage mich gerade noch, was mich denn eigentlich so früh geweckt hat...

Plötzlich wieder dieses schrille, nervtötende Zahnarztbohrergeräusch, das mich vorhin aus dem Schlaf gerissen hat: Es kreischt, es jault, es sägt, es scheppert – und jetzt weiß ich es plötzlich: Das ist der Nachbar! Ein alter, missmutiger Grantler, der eine diebische Freude daran hat, samstags ab 8 Uhr zu sägen. Natürlich könnte er auch unter der Woche sägen, wenn Menschen wie ich bei der Arbeit sind und sich auf ein ruhiges und stimmungsvolles Wochenend-Frühstück auf ihrem Balkon freuen. Doch für einen schwäbischen Werkler ist Samstag der einzig richtige Krachmachertag.

Nachdem also der Nachbar schon eine ganze Weile sägt und ich grollend meine Zähne in die Frühstücksbrezel schlage, höre ich eine weitere hektische Aktivität: Der Nachbar vom Haus rechts fühlt sich anscheinend durch das penetrante Sägegeräusch animiert und holt jetzt seinen Rasenmäher aus dem Schuppen. So kommt zum Schrillen und Quietschen der Säge noch das Brummen und Keuchen des Rasenmähers hinzu. Die summende Wespe, die sich in der Zwischenzeit auf meinem Honigbrötchen festgesaugt hat, kann mich schon überhaupt nicht mehr schocken - genauso wenig wie die Bohrmaschine, die jetzt in einem weiteren Nachbarhaus in Betrieb gesetzt wird und das Misston-Trio des Samstagmorgens vervollständigt.

Gerade überlege ich, ob ich vor Wut in den Tisch beißen oder lieber ganz unauffällig mit einem Apfel auf Säger, Bohrer und Mäher zielen soll - da plötzlich: Ganz ungewohnt liebliche Töne! Ein vierter Nachbar - jung und musikalisch - lässt ziemlich laut Django Reinhardt laufen und begleitet den Jazz auf seiner Gitarre.

"Gott-sei-Dank", denke ich, es gibt auch noch kunstsinnige Menschen unter all diesen umtriebigen Bastlern und Werklern. Doch kaum steigen die ersten swingenden Töne in den Himmel, da fühlt sich die Nachbarin im 1. Stock gestört und dreht eine ohrenbetäubende Mischung aus Hardrock und Techno in vollster Lautstärke auf. Allmählich gewinne ich Spaß an diesem samstagmorgendlichen Wettbewerb im Stil von "Krach ohne Grenzen".

"Wow", denke ich plötzlich, "da machst du jetzt einfach mit". Ich also hoch in mein Zimmer, Piano eingeschaltet, Verstärker an, Mikro eingestöpselt - und los geht´s mit französischen Chansons, die ich vergnügt in den sonnigen Samstagmorgen hinausschmettere ... allerdings nicht lange!

Denn kaum habe ich mit meinem Gesang begonnen, da klingelt es schon Sturm an der Haustür: Wutentbrannt steht die Frau des Sägers vor mir und hinter ihr - wie zur Verstärkung - die Frau des Mähers. Beide keifen mich an: "Können Sie denn nicht in ZIMMERLAUTSTÄRKE singen?? Glauben Sie denn, Sie seien hier allein in der Straße?? Wenn Sie nicht SOFORT leiser werden, holen wir die Polizei..."
Verdutzt schaue ich die beiden an - und noch während ich mir eine schlagfertige Antwort überlege, sägt der Säger wieder lautstark los, der Mäher lässt ordentlich das Gras zwischen seinen Stahlzähnen krachen und der Bohrer kämpft sich lautstark durch Beton. Ich starre die beiden wütenden, rotgesichtigen Frauen an und bekomme auf einmal einen hysterischen Lachanfall.

Als sie schnaubend von Dannen ziehen, höre ich die Säger-Gattin sagen: "Immer diese rücksichtslosen Künstler - die meinen doch wirklich alle, sie seien allein auf der Welt" - und die Mähersfrau nickte verständnisvoll.

(Copyright by Ingrid Holzmann-Ottohall, 2005)